PTBS

Wenn der Einsatz Spuren hinterlässt

Posttraumatische Belastungsstörungen bei Einsatzkräften

Haupt- und ehrenamtliche Helfer in Einsatzorganisationen, aber auch die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Militärs sind nicht selten erheblichen Belastungen ausgesetzt. Gemeint ist nicht nur das ständige Risiko für die eigene Sicherheit, sondern auch das tatsächliche Erleben von Zerstörung, Tod und Gewalt, sei es bei Unbeteiligten, sei es bei nahestehenden Personen und Kollegen.

Es muss nicht einmal ein Einsatz in einem Kriegs- oder Bürgerkriegsgebiet sein – auch das Erleben der Folgen eines schweren Auffahrunfalls oder Großbrandes mit Todesopfern, die Bergung Verstorbener oder ein Langzeiteinsatz während einer Pandemie hinterlassen Narben auf der Seele. Das Tückische daran: Im Einsatz gibt es keine Zeit für die eigenen Befindlichkeiten. Man muss funktionieren und schiebt das Trauma beiseite. Oft meldet es sich dann Monate später zurück – und die Betroffenen leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Was ist PTBS?

Eine posttraumatische Belastungsstörung, abgekürzt PTBS, wird im Englischen auch mit dem Kürzel PTSD für „post-traumatic stress disorder“ bezeichnet. PTBS ist eine psychische Erkrankung, die oft chronisch verläuft und auch körperliche Störungen nach sich zieht und begüngstigt. Auslöser der PTBS ist ein außerordentlich verstörendes, belastendes Erlebnis, das nicht verarbeitet werden kann. Dieses Trauma kann die erkrankte Person selbst betreffen, aber auch ihr nahestehende Personen. Auch das Erleben einer Katastrophe, der andere ausgesetzt sind, genügt um die Zeugen nachhaltig zu traumatisieren.

Übersteigt das Erlebte buchstäblich das eigene Begreifen, wird der Schock verdrängt – und taucht in der Regel innerhalb von sechs Monaten in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung wieder auf. Zu den häufigen Symptomen gehören:

  • emotionaler Kontrollverlust und Gereiztheit
  • Abstumpfung und Desinteresse an der Umwelt
  • Vermeiden von Situationen, die an das traumatisierende Erleben erinnern
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsschwäche
  • Flashbacks“, das Wiedererleben des traumatisierenden Ereignisses, oft ausgelöst durch Stimuli wie Geräusche und Gerüche

Eine PTBS kann natürlich jeden treffen – wer eine extrem belastende Situation durchsteht, ohne sie richtig aufzuarbeiten, kann Monate oder sogar Jahre später davon eingeholt werden. Erschreckend ist jedoch die Häufigkeit bei Einsatzkräften. Bei den Rettungsdiensten sprechen Statistiken von über 50% Betroffenen, bei der Feuerwehr sind es mehr als 60%. Dabei kann man durchaus vorbeugen gegen schwere Folgeschäden.

Vorsorge, Vorbeugung und Fürsorge für Einsatzkräfte und deren Verwandte

Für einen besseren Schutz von Einsatzkräften ist es besonders wichtig, das Thema Belastungsstörung ans Licht zu bringen und den Helfern klar zu machen, dass es jeden von ihnen treffen kann. Aufklärung über die Risiken, die Symptome und die möglichen Gegenmaßnahmen trägt dazu bei, dass sich Einsatzkräfte nicht alleingelassen fühlen.

Besonders kritisch ist die Rolle des Einsatzleiters. Denn er muss in Extremsituationen eine Belastung und Gefährdung seines Teams erkennen können und sollte dafür sorgen, dass der Einzelne nicht zu lange in einer Risikoposition verbleibt. Wenn irgend möglich, raten Experten dazu, die Helfer am Einsatzort bei sehr belastenden Einsätzen so häufig wie möglich auszutauschen.  

Außerdem sollte nach emotional belastenden Ereignissen eine Aufbereitung erfolgen – die Helfer am Einsatzort müssen wissen, wie und an wen sie sich wenden können. Zur wirksamen Unterstützung gehört auch ein Debriefing, bei dem ausdrücklich nach dem Befinden des Einzelnen gefragt wird. Besteht der Verdacht auf eine aufkommende PTBS, dürfen sich Betroffene nicht ausgegrenzt oder minderwertig fühlen – ein hohes Risiko bei dieser Erkrankung, das die darunter leidenden Personen noch mehr in ihr Schneckenhaus treibt.

Die SEG aggiert bei Großschadenslagen und im Katastrophenschutz udn ist dementsprechend hohen psychische Belastungen ausgesetzt. Eine Posttraumatische Belastungsstörungen kann jede Einsatzkraft treffen.

Der PTBS Test: Bin ich betroffen?

Wer nach einem emotional aufwühlenden Einsatz an seelischen und körperlichen Störungen zu leiden beginnt, sollte im besten Fall einen Ansprechpartner in der Einsatzgruppe haben und kompetente psychologische und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Für die erste eigene Einschätzung und eine Antwort auf die (bange) Frage „Habe ich PTBS?“ kann man allerdings auch einen der online verfügbaren Tests hinzuziehen.

Ein solcher Selbsttest ersetzt natürlich nicht das Gespräch mit einem Mediziner oder Psychologen. Er kann jedoch ein erster Schritt in die richtige Richtung sein, nämlich hin zu der Erkenntnis, dass man nicht „schwach“ oder „untauglich“ ist, sondern schlichtweg an einer ernsthaften seelischen Erkrankung in Folge des Erlebten leidet.

Verlauf einer PTBS: Ein Drittel der Betroffenen bewältigt die Krise

Wer von einer PTBS betroffen ist, die sich nach einem traumatischen Erleben einstellt, kann unter Umständen erleben, dass die Belastungsstörung graduell abnimmt und von allein wieder verschwindet – das ist bei etwa 30% der Betroffenen der Fall.

Die Mehrheit jedoch leidet unter anhaltenden Störungen, deren Schwere zunehmen kann und die Folgeerkrankungen nach sich ziehen können. Dazu gehören Depressionen und Angststörungen, die Abhängigkeit von Medikamenten, Drogen oder Alkohol, ein Verlust der Fähigkeit, soziale Beziehungen einzugehen, mit entsprechenden körperlichen Folgen. Vor allem, wer ein komplexes Trauma durchlebt hat, wird eine entsprechend komplexe posttraumatische Belastungsstörung entwickeln, die aus eigener Kraft kaum zu bewältigen ist.

Unter ihr leiden die Opfer, aber auch die Zeugen von Folter, Missbrauch und Völkermord, aber auch anhaltender sexueller Gewalt. Die Folgen sind nicht selten anhaltende Depressionen, ein Rückzug aus Beziehungen und dem sozialen Umfeld, das ständige Gefühl der Bedrohung, aber auch Scham und Schuldgefühle. Abhängig von der Schwere der Symptome werden körperliche Erkrankungen von einer PTBS negativ beeinflusst, auch die Suizidrate bei den Betroffenen ist hoch.

Die Krankheit ist kein Schicksal: Behandlungsmöglichkeiten bei PTBS

Selbst wenn die Betroffenen das Gefühl haben, nie wieder ins „normale“ Leben zurückkehren zu können – eine PTBS kann gut behandelt werden. Wer sich an einen Facharzt wendet, hat gute Aussichten, sein früheres soziales und berufliches Leben wieder aufnehmen zu können.

Sehr erfolgreich ist vor allem die Psychotherapie. Bei einer derartige Behandlung wird das traumatisierende Erleben identifiziert, formuliert und graduell bewältigt. Das Ziel dabei ist, dass der Erkrankte das Trauma nicht mehr verdrängt, sondern in der Lage ist, aus der zeitlichen Distanz darauf zurück zu schauen und es zu akzeptieren, ohne sich jedoch davon überwältigen zu lassen.

Häufig wird die Verhaltenstherapie eingesetzt. Das dauert zwar seine Zeit, trägt aber Früchte. In besonders schweren Fällen kann zusätzlich eine Medikamententherapie in Betracht gezogen werden, wenn auch nicht als erste Wahl – mit Antidepressiva lassen sich die schlimmsten depressiven Tiefs abfangen.

Leben und Alltag mit PTBS

PTBS geht nicht nur den oder die Erkrankte(n) an. In vielen Fällen ist eine ganze Familie, nicht selten auch Kinder, davon betroffen, die nun erleben müssen, wie eine vertraute Person sich zurückzieht und verändert, vielleicht bis zur Unkenntlichkeit. Die Belastung betrifft auch das berufliche Umfeld und kann bis zur Berufsunfähigkeit führen.

Zu den Problemen der Erkrankten gehört, dass sich die ihnen nahestehenden Personen nicht selten hilflos und überfordert fühlen, nicht wissen, wie sie reagieren sollen, und sich selbst an der Veränderung aufreiben. Sind die Angehörigen durch dasselbe Trauma betroffen, verschärft sich die Situation noch.

In jedem Fall helfen auch hier Informationen, Gespräche und Gesprächsangebote auch für das Umfeld der Betroffenen. Bewährt hat sich eine Kombination aus dem Akzeptieren der Erkrankung und der Unterstützung bei deren Behandlung.

PTBS kann jeden treffen, wenn auch Einsatzkräfte einem höheren Risiko ausgesetzt sind als „Normalverbraucher“. Informationen über die Erkrankung, mögliche Behandlungen und Gesprächsangebote stoßen die Tür auf für eine Rückkehr ins Leben.